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AutorenbildSamira Harperink

Die Patienten ins Zentrum stellen mit Design Thinking

Aktualisiert: 11. Apr. 2022

Wie Leistungserbringer im Gesundheitswesen den Design Thinking Ansatz nutzen können, um Prozesse, Leistungen und Infrastrukturen rund um die Patienten zu optimieren.


Im Gesundheitswesen herrscht mittlerweile ein reger Wettbewerb um Kunden beziehungsweise Patienten sowie um qualifiziertes Personal. Es ist wichtig geworden, sich als Gesundheitsinstitution Wettbewerbsvorteile und Differenzierungen zu verschaffen. Entscheidende Unterscheidungsmerkmale sind neben der Qualität der Leistungen, insbesondere das individuelle Ergebnis für den Patienten. Der Patient und seine Bedürfnisse rücken vermehrt ins Zentrum. Wie identifizieren Institutionen diese Bedürfnisse der Patienten und wie integrieren sie diese in den «Care Pathway»? Wie können Institutionen dies in Wettbewerbsvorteile umwandeln?


Der Design Thinking Ansatz

Design Thinking verwendet Methoden und Denkprozesse des klassischen Designs zur Innovation und Verbesserung in allen Bereichen und Prozessen eines Unternehmens oder einer Organisation. Das Ziel ist es, kreative und kundenorientierte Lösungen von Problemen zu generieren und gleichzeitig die technische Machbarkeit sowie die Rentabilität miteinzubeziehen.


Design Thinking kann in sehr vielen verschiedenen Variationen angewendet werden. Der Design Thinking Prozess ist eine Kombination aus Verstehen, Beobachtung, Ideenfindung, Verfeinerung, Validierung und Ausführung. Der Prozess soll dazu führen, dass die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden verstanden und nachempfunden werden können. Mit den gewonnenen Einsichten werden Ideen und neue Lösungen entwickelt. Es können jegliche Techniken und Methoden zur Ideengenerierung genutzt werden. Nach der Generierung soll die Idee möglichst gut prototypisiert werden und danach erneut getestet werden. Die Prototypisierung ist einer der wichtigsten Bestandteile der Design Thinking Methode und ermöglicht es die Idee erfahrbar zu machen und weiterzuentwickeln. Die Schritte im Prozess können iterativ und nicht linear angewendet und je nach Bedarf wiederholt werden.


Ein exemplarischer Ablauf eines Design Thinking Prozesses mit den verschiedenen Schritten kann wie folgt dargestellt werden:

Design Thinking im Gesundheitswesen - erfolgreiche Beispiele

Auch im Gesundheitswesen hat der Design Thinking Ansatz in den letzten Jahren Fuss gefasst. Ob in MedTech Firmen oder in grossen Spitälern wurden diverse Produkte, Prozesse und Leistungen neu entwickelt oder verbessert. Bekannte Case Studies sind die Rotterdamer Augenklinik und das Tan Tock Seng Hospital in Singapur. Beide haben mit Design Thinking den Wandel zum patientenorientierten Leistungserbringer erfolgreich vollzogen.

Durch das Anwenden der Methode haben die Führungskräfte die Rotterdamer Augenklinik in einen Vorzeigeort verwandelt mit vorbildlichen Sicherheits- und Qualitätsanforderungen. Sie haben eine räumliche Atmosphäre geschaffen, die den Patienten aufnimmt, ihm ein Gefühl des Wohlbefindens vermittelt und somit dessen Ängste lindert. Die Umgestaltung hatte eine ganze Reihe positiver Auswirkungen. Zum einen konnte die Aufenthaltsdauer nach den Operationen gesenkt werden. 95% der Eingriffe können heute ambulant durchgeführt werden. Auch die Genesungszeit der Patienten hat sich verkürzt. Insgesamt hat sich die Zufriedenheit der Patienten sowie der Mitarbeitenden erhöht. In Zufriedenheitsumfragen erzielte die Klinik 8.6 (von 10) Punkten. Seit diesen Anpassungen stiegen zudem die Anmeldungen und Einschreibungen in der Klinik um 47%, was die Wirtschaftlichkeit steigerte.


Das Tan Tock Seng Hospital wiederum gilt als Paradebeispiel für die Optimierung der Wartezeiten. Durch Design Thinking konnte das Spital die Wartezeiten der Patienten um 40% reduzieren, dies resultierte wiederum in 7% weniger Wartezeiten seitens der Ärzte. Des Weiteren wurde die Anzahl an Behandlungszimmern erhöht und die Orientierung innerhalb des Spitals vereinfacht. Mit einem elektronischen Warte- und Terminsystem wurde es einfacher, die Patienten zu managen und zu überwachen. Das Ganze wurde von einem vielseitigen Projektteam mit dem Design Thinking und Lean Ansatz ausgearbeitet, ausgehend von den Bedürfnissen und Anregungen der Patienten. Mit den Anpassungen war das Spital ebenfalls wieder in der Lage, die stetig wachsende ältere Bevölkerung von Singapur zu versorgen und die Zufriedenheit der Patienten wie auch der Mitarbeitenden zu steigern.


Diese beiden Beispiele zeigen, dass bereits die Betrachtung der Herausforderung aus einer patientenorientierten Perspektive neue Ideen und Lösungen hervorbringen kann. Diese müssen nicht höchst innovativ, kostenintensiv oder schwer zu implementieren sein. Es geht darum, den Patienten, beziehungsweise einen relevanten Stakeholder, und seine Bedürfnisse abzuholen. Dies ist häufig bereits durch kleine Anpassungen möglich, wie beispielsweise die Webseiten nutzerfreundlicher zu gestalten, Wartezeiten zu verkürzen, Wege besser zu beschriften, Atmosphären mit Licht und Ton aufzulockern oder Arbeitsabläufe des Personals zu verbessern. Design Thinking kann bereits im kleinen Rahmen grosses Bewirken. Es kann als Methode in einer Toolbox der Institution gesehen werden, die flexibel und bei Bedarf eingesetzt werden kann.


Anwendungsmöglichkeiten im Schweizer Gesundheitswesen

Der Design Thinking Ansatz kann auch im Schweizer Gesundheitswesen einiges bewirken und eine Hilfestellung für aktuelle Herausforderungen bieten. Das Schweizer Gesundheitswesen befindet sich in einem Wandel und sollte auf die Kunden- und Nutzerorientierung reagieren. Es ist heutzutage häufig so, dass ursprüngliche Probleme durch Standardverfahren nicht erfasst werden und somit Patientenbedürfnisse und Optimierungspotenziale nicht erkannt werden. In folgenden Bereichen kann der Design Thinking Ansatz beispielsweise Anwendung finden:


Patientenpfadoptimierung

Optimierte Patientenpfade können zur Verbesserung der medizinischen Versorgung führen und zudem das Erlebnis des Patienten im Spital verbessern. Dies sind heutzutage wichtige Faktoren für die Gesundheitsinstitutionen. Design Thinking kann helfen, diese Patientenpfade zu konstruieren oder zu optimieren. Mit der Methode werden die Bedürfnisse der Patienten auf den verschiedenen Schritten im Pfad observiert, analysiert und verstanden. Beim Patientenpfad spielen auch die Bedürfnisse der Mitarbeitenden, welche die Patienten begleiten, eine wichtige Rolle. In einem weiteren Schritt werden die verschiedenen Bedürfnisse in den «Pflegepfad» integriert. Anschliessend wird beobachtet, wie sich der Pfad verbessert hat. Bei Bedarf wird der Ablauf nochmals angepasst.


Neubau und Renovierung

Moderne Infrastrukturen im Gesundheitswesen müssen sich an die stetig ändernden Bedingungen und rasanten Entwicklungen im medizinischen Bereich anpassen lassen. Dafür werden zukunftsorientierte Planerleistungen erwartet. Auch dafür ist Design Thinking ein geeignetes Instrument. Der Ansatz ermöglicht innovatives Denken und damit zukunftsorientierte Lösungen für die Neubauten oder Renovierung zu finden. Der Fokus auf die verschiedenen Stakeholder und das Abholen der Bedürfnisse sind sehr relevant, um Fehlplanungen zu vermeiden und Fehlkonstruktionen zu verhindern, welche später optimale Prozesse und Arbeitsabläufe erschweren. Solche Fehler können einen massgebenden Einfluss auf die Höhe der Betriebskosten und somit auf die Wirtschaftlichkeit der ganzen Unternehmung haben. Der strikte Fokus auf den Patienten bei der Planung des Baus und der Infrastruktur ist die Grundlage, um patientenorientierte Versorgung im Spital zu ermöglichen. Dadurch können das Wohlbefinden sowie die Genesung der Patienten positiv beeinflusst werden.


Integration von digitalen Lösungen

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen birgt ein enormes Potenzial und es gibt viele moderne, innovative und digitale Lösungen für Spitäler und andere Leistungserbringer. Gesundheitsinstitutionen sollten diese integrieren und damit Prozesse vereinfachen oder optimieren um die Effizienz zu steigern. Jedoch bringt die Integration von digitalen Lösungen zahlreiche Herausforderungen mit sich. Die Vorteile der Technologien können nämlich nur ausgeschöpft werden, wenn diese erfolgreich im Alltag integriert sind und routinemässig genutzt werden. Design Thinking kann im Auswahl Prozess von adäquaten technologischen Hilfsmittel, sowie bei der Implementierung von digitalen Lösungen Unterstützung bieten. Mit der Methode kristallisieren sich die wichtigen Bedürfnisse der Patienten sowie auch der Mitarbeiter heraus und es können die geeigneten und gewünschten digitalen Lösungen aufgenommen werden. Mithilfe des Design Thinking Ansatzes werden die Entscheidungen der Institutionen validiert und legitimiert, und die Wahrscheinlichkeit einer aktiven Nutzung der digitalen Lösung ist deutlich höher. Dies ermöglicht, dass digitale Potenziale in der Institution ausgeschöpft werden.


Zusammengefasst kann Design Thinking den Weg zu einer patientenorientierten Versorgung, optimierten Prozessen und nutzungsfreundlichen Infrastruktur ebnen. Damit werden die Patientenerfahrung sowie der Patientenweg verbessert und die Zufriedenheit nachhaltig gesteigert. Das wird einen positiven Effekt auf die klinischen Ergebnisse sowie die Genesungs- und Hospitalisierungszeit haben. Zudem bietet Design Thinking einen Weg, Innovationen und Entwicklungen erfolgreich in das Unternehmen einzubauen und Mehrwert zu generieren. Dies ermöglicht kontinuierliche Verbesserungen der Prozesse, Leistungen und Services. Auch Kosteneinsparungen und Kosteneffizienz können mit der Methode erreicht werden. Insgesamt führt dies zu einem nachhaltigen Wettbewerbsvorteil und einem wichtigen Differenzierungsmerkmal im Gesundheitsmarkt.

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