Teil 1: Serie «Medizin der Zukunft»
Grundlegende Elemente und Aspekte von Patient-Centered Healthcare
Autoren: Alina Dintheer
Medizin der Zukunft – ein dynamisches Konzept
Innovative Technologien, personalisierte Therapien, revolutionäre Ansätze – wie sieht die Medizin von morgen wohl aus? Entscheidungsträger im Gesundheitswesen, Fachpersonen, sowie Wissenschaftler und Forscher sind bereits heute mit der Medizin der Zukunft konfrontiert. Wichtig dabei ist, dass es sich bei der Medizin der Zukunft nicht um ein statisches Konstrukt, sondern vielmehr um ein sehr dynamisches, weitreichendes Konzept handelt. Die zukünftige Medizin umfasst eine breite Palette von möglichen Anwendungen. Nebst den gesellschaftlichen Anforderungen, dem Fortschritt unserer Technologien und wandelbaren politischen und gesetzliche Rahmenbedingungen evolviert die Definition «Medizin der Zukunft» stets mit.
Als Beratungsunternehmen sind wir stets damit konfrontiert, welche Bedingungen Bund und Kantone schaffen müssen, um nachhaltige Innovationen für die Medizin der Zukunft zu ermöglichen. Um aufzuzeigen, wie eine zukunftsweisende Entwicklung und nachhaltige Implementierung der zukünftigen Medizin im schweizerischen Gesundheitssystem realisiert werden kann, haben wir mittels eines Frameworks mögliche Antworten zusammengetragen. Weiter wollen wir strukturiert eruieren, auf welchen Elementen die Medizin der Zukunft basiert und beleuchten, welche Rolle Patient-Centered Healthcare dabei spielt. Die zukünftige Medizin sollte sich um die Patientenbedürfnisse bauen und stets auf den Patienten als zentrales Element der Gesundheitssysteme fokussieren.
Die Implementierung von Innovationen im Gesundheitssystem ist von Natur aus komplex. Dies liegt an der Mischung aus experimentellen und neuartigen Technologien aus dem privaten Sektor und den verankerten sozialen und rechtlichen Legacy-Systemen des öffentlichen Sektors. Um die Entwicklung und Implementierung neuer Technologien zu erleichtern, ist es wichtig, dass gewisse grundlegenden Elemente vorhanden sind. Ohne diese Elemente – welche wir zusammen als Ökosystem (siehe Abbildung 1) und stabile Basis für die Medizin der Zukunft ansehen – können sich neue Ansätze, Ideen und Technologien nur schwer durchsetzen.
Abbildung 1: Schematische Darstellung der Elemente und Aspekte der Medizin der Zukunft mit Fokus auf das Ökosystem, welches die Grundlage für die zukünftige Medizin bildet.
Funktionierendes Ökosystem als Grundlage
Verschiedene Elemente bilden die Grundlage für die Medizin der Zukunft – wir bezeichnen diese als Ökosystem . In der Abbildung 1 sind das Ökosystem sowie verschiedene Elemente der zukünftigen Medizin visualisiert dargestellt. Nur wenn das Ökosystem in all seinen Bausteinen gegeben ist, können neue Aspekte der Medizin nachhaltig implementiert werden. Forschung und Entwicklung sowie Digitalisierungsstrategien sollen dabei als grundlegende, übergeordnete Begriffe verstanden werden, da diese unabhängig von den verschiedenen Elementen des Ökosystems stets präsent sind und in allen Bereichen eine zentrale Rolle spielen.
Dienstleister im Gesundheitswesen
Ein Gesundheitssystem umfasst zahlreiche Dienstleister, welche verschiedene Aufgaben erfüllen und so einen entscheidenden Beitrag im Gesundheitssystem leisten. Doch nicht nur die einzelnen Rollen der jeweiligen Dienstleister sind für ein funktionierendes Gesundheitswesen essenziell, sondern vor allem auch die Kommunikation und Vernetzung dieser. Nur so kann ein Transfer von Wissen und neuen Erkenntnissen erfolgen und neue Technologien und Strategien implementiert werden. Der Nutzen für den Patienten erhöht sich auch durch diese Vernetzung – zum Beispiel erleichtern digitale Plattformen den Transfer von Patientendaten, ermöglichen eine bessere Zusammenarbeit und Absprache der beteiligten Fachpersonen und führen schlussendlich zu effizienteren Lösungen für Gesundheitsprobleme.
Finanzieller Rahmen
Ein transparentes und stabiles Finanzmodell im Gesundheitssystem bildet die Basis für eine zukunftsweisende Entwicklung sowie ungehinderte Umsetzung von neuen Technologien. Die Finanzierung von Forschung und Implementierung von Innovationen im Gesundheitswesen muss geregelt sein – insbesondere, weil Elemente der zukünftigen Medizin sehr kostenintensiv sein können. Wir denken dabei zum Beispiel an Robotik, innovative Vorhaben bei Bauten im Gesundheitswesen oder Gentherapien. Ohne einen finanziellen Rahmen, welcher flexibel genug ist, um kostenintensive Innovationen zuzulassen, ist die Implementierung der Medizin der Zukunft schlichtweg nicht möglich. Zusätzlich braucht es Tarifsysteme, welche Anreize für Innovationen bieten und solche zulassen. Hierzu verweisen wir gerne auf die Prinzipien der Value-Based Healthcare in unserem Blogpost. Nur so sind Fortschritte im Gesundheitswesen möglich, welche letztendlich dem Patienten zugutekommen.
Bildung
Um neue Aspekte in der zukünftigen Medizin nachhaltig implementieren zu können, ist ein solides Bildungssystem erforderlich. Nicht nur die Stabilität des Bildungswesens per se ist von grosser Wichtigkeit, sondern vor allem auch die Fähigkeit, Anpassungen und Veränderungen tragen zu können. Denn ein Wandel in der Medizin bringt neue Anforderungen aller Beteiligten mit sich – dies gilt nicht nur für Fachpersonen, die direkt mit dem Gesundheitswesen in Verbindung stehen, sondern auch für Fachpersonen ausserhalb des Gesundheitswesens, welche für den nachhaltigen Erhalt des Ökosystems verantwortlich sind. Zusätzlich muss nicht nur in die Ausbildung, Forschung und Entwicklung als Basis für Innovation investiert werden, sondern auch in bereits existierende Konstrukte, wie zum Beispiel die Weiterbildung und Schulung von bestehenden Fachpersonen. Nur so kann gewährleistet werden, dass in Zukunft genügend Fachpersonen zur Verfügung stehen, welche nicht nur genügend ausgebildet sind, sondern neuen Technologien mit Akzeptanz gegenübertreten.
Clusters
Als Clusters im Gesundheitswesen werden Gruppen von Schlüsselakteuren bezeichnet, welche sich zu einem kreativen System zusammenschliessen und so Probleme durch die Entwicklung von innovativen Lösungen bewältigen. Solche Netzwerke umfassen beispielsweise Vertreter von Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Dienstleistern, Hersteller oder Investoren im Gesundheitswesen. Mit solch soliden Vernetzungen unterstützen Clusters unter anderem Forschung und Entwicklung von Innovationen im Gesundheitswesen, erleichtern die Planung und Durchführung von strategischen Projekten und fördern den Austausch der verschiedenen Parteien innerhalb des Ökosystems der Medizin der Zukunft. Alles in allem werden so innovative Lösungen beschleunigt, was schlussendlich dem Patienten zugutekommt. Mit gutem Beispiel schreitet die Medizintechnik-Branche im Kanton Zug voran. An diesem Medtech Hotspot haben eine Vielzahl von Medizintechnik- sowie Biotechnologie-Firmen einen Standort. Deren Tätigkeiten beinhalten nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern auch Supply Chain Management und Kommerzialisierung. Die grosse Anzahl von verschiedenen Dienstleistern auf engem Raum vernetzt die Interessen aus diversen Bereichen und sorgt so für ein günstiges Geschäftsumfeld. Zusätzlich zieht der Medtech Cluster Zug als attraktives Branchen-Umfeld stets noch mehr Firmen und hochqualifizierte Arbeitskräfte an [1].
Politisch-rechtlicher Rahmen
Durch die rasante Entwicklung von Medizin und Technik wird eine gesetzliche Grundlage sowie eine tolerante Politik benötigt, welche Erneuerungen von Gesetzen und Richtlinien zulässt. Neue Entwicklungen müssen ermöglicht und unterstützt werden. Dies gelingt, wenn bereits früh der Wandel des Gesundheitswesens antizipiert wird und neue Grundlagen für Innovationen geschaffen werden. Es werden neue Richtlinien benötigt, um den Markt weiterhin attraktiv zu gestalten während das gesundheitliche Wohlergehen der Gesellschaft stets im Zentrum stehen soll. Somit ist ein politisch-rechtlicher Rahmen nötig, der sich möglichst zeitgleich wie und vor allem angelehnt an die Entwicklungen im Gesundheitswesen evolviert. Dies unter anderem zur Kostenregulierung und zur Überprüfung der Sicherheit und Effektivität neuer Technologien. In Anbetracht der technologischen Trends und Digitalisierungsstrategien sind wir auf die Erfassung von Daten angewiesen. Dabei ist die Speicherung und Vertraulichkeit von grossen Datenmengen eine Herausforderung. Dies verlangt nicht nur ein starkes politisches Engagement, sondern auch die Kollaboration der involvierten Stakeholder. Hier müssen klare und konsistente Big-Data-Richtlinien zum Schutz privater Patientendaten entwickelt werden.
Infrastruktur
Die Infrastruktur des Gesundheitswesens bildet die notwendige Grundlage für alle öffentlichen Gesundheitsdienste. Diese umfasst physische Strukturen wie nicht-medizinische Ausstattungen oder Transportmöglichkeiten aber auch technologische Strukturen wie Netzwerke, die die digitale Gesundheitsversorgung ermöglichen. Zusammen gewährt die gesamte Infrastruktur den effizienten Zugang zu Ressourcen, Materialien, Dienstleistungen und Einrichtungen des Gesundheitswesens. In Bezug auf die Medizin der Zukunft müssen einerseits Infrastrukturen geschaffen werden, die die Forschung und Entwicklung von neuen Technologien ermöglichen, anderseits müssen bestehende Strukturen so angepasst werden, dass sie die Implementierung von neuen Technologien auch zulassen. Zusätzlich soll bereits während dem Aufbau von neuen Strukturen ein Ausblick in Richtung potenzielle zukünftige Anpassungen gemacht werden – neue Infrastruktur soll so gebaut sein, dass spätere Veränderungen geduldet werden können. Gleichzeitig muss auch hier der Patient im Zentrum stehen. Ein gutes Beispiel dafür sind neue Spitalbauten. Bereits während der Planung muss der Fokus schon auf den Patientenweg gelegt werden und die Architektur dementsprechend angepasst werden. Interessant zu diesem Thema ist unser Blogpost "Kosteneinsparung bei Bauprojekten".
Die Medizin der Zukunft als dynamisches, weitreichendes Konzept ist auf verschiedenste Rahmenbedingungen angewiesen, um sich nachhaltig entwickeln zu können. Wandelbare politische und gesetzliche Richtlinien, eine starke Vernetzung der Dienstleister und Akteure im Gesundheitswesen, ein flexibles Finanzmodell sowie eine solide Bildung und Infrastruktur schaffen zusammen ein Ökosystem, welches die Basis für die Medizin der Zukunft bildet. In allen Bereichen müssen Entwicklungen geschehen, damit neue Ansätze und Technologien implementiert werden können. Der Patient soll dabei stets im Zentrum stehen.
Der zweite Teil des Blogs zum Thema «Medizin der Zukunft» wird im September erscheinen. In diesem werden wir auf die verschiedenen Anwendungsbereiche neuer medizinischer Technologien eingehen und deren Chancen und Herausforderungen beleuchten.
[1] Kanton Zug, ‘Zug: Medtech Cluster’, 2019.
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